Weitere Tipps abseits der Biennale

LAS Art Foundation | UNA / UNLESS Temporary Pavilion at the Accademia di Belle Arti, Venice, 2024. Commissioned by LAS Art Foundation. © 2024 UNA / UNLESS. Photo: Andrea Rossetti / Héctor Chico

Die Biennale zieht alle zwei Jahre Kunstliebhaber:innen aus aller Welt nach Venedig. Doch auch abseits dieser großen Ausstellung hat Venedig noch viel mehr zu bieten. Abseits der Biennale gibt es zahlreiche versteckte Schätze und spannende Ausstellungen, die auf keinen Fall verpasst werden sollten. PARNASS hat Ihnen eine Liste mit Tipps zusammengestellt, um Ihren Aufenthalt in Venedig noch kunstvoller zu gestalten.


Rebecca Ackroyd
Fondaco Marcello

Lustvolle Materialspiele, die skulpturale und kunsthistorische Konventionen herausfordern und in höchst persönliche Emotionen überleiten wollen: Rebecca Ackroyd (*1987) begeisterte bei den Eröffnungstagen in Venedig mit ihrer Installation zwischen rosafarbenem Kitsch und feministischer Kampfeslust. Der Titel „Mirror Stage“ spielt auf jene frühkindliche Entwicklungsphase an, in der sich Kleinkinder erstmalig von ihren Bezugspersonen ablösen. Fragmentierte Erinnerungen und das Wechselhafte von Bewusst und Unbewusst sind hier Schlagwörter für die in Berlin und London lebende Künstlerin. Hinter der Ausstellung stehen nicht nur die Kestner Gesellschaft und Peres Projects, sondern auch die in Wien lebende Kuratorin Attilia Fattori Franchini (Kunstverein Gartenhaus).

bis 24. November 2024

Rebecca Ackroyd, Mirror Stage, La Biennale di Venezia, Installation View, Courtesy Peres Projects, Foto: Andrea Rossetti

Rebecca Ackroyd, Mirror Stage, La Biennale di Venezia, Installation View, Courtesy Peres Projects, Foto: Andrea Rossetti


Berlinde De Bruyckere
Abbazia di San Giorgio Maggiore

Die Ausstellung mit dem aus einem Songtext von Nick Cave entliehenen Titel „City of Refuge III“ ist die dritte einer Serie, in der die belgische Bildhauerin die Kunst als einen Ort der Zuflucht und des Schutzes thematisiert. Verstärkt durch den spirituellen Charakter der Basilika und der Klosteranlage San Giorgio Maggiore zählt De Bruyckeres Schau zu den eindrucksvollsten Ausstellungen der diesjährigen Biennale. Im Kirchenschiff der Basilika platzierte sie verhüllte Erzengel auf hochaufragenden, verrosteten Altmetallen. Die angebrachten Metallspiegel vervielfältigen die sublime Fragilität der aus organischen Materialien gestalteten Figuren und verbinden sie mit der Architektur der von Andrea Palladio entworfenen Renaissancekirche. Das Objekt mit Tothölzern in der Sakristei versinnbildlicht den ewigen Wandel des Lebens, während De Bruyckere für den langen Korridor des Klosters Wandobjekte schuf – Vitrinen, basierend auf den Holzschnitzarbeiten des Chores mit organischen, figurativen Relikten, die sich auf Darstellungen des heiligen Benedikt beziehen.

bis 24. November 2024

‘Berlinde De Bruyckere. City of Refuge III’, Abbazia di San Giorgio Maggiore, Venice, 20 April – 24 November 2024. Collateral Event of the 60th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Berlinde De Bruyckere. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Mirjam Devriendt

‘Berlinde De Bruyckere. City of Refuge III’, Abbazia di San Giorgio Maggiore, Venice, 20 April – 24 November 2024. Collateral Event of the 60th International Art Exhibition – La Biennale di Venezia © Berlinde De Bruyckere. Courtesy the artist and Hauser & Wirth. Photo: Mirjam Devriendt


Sabine Wiedenhofer
Tesa 99/Arsenale Nord

Im zweiten Standort des Pavillons der Stadt Venedig in den Giardini ist im Areal Tesa 99/Arsenale Nord die Installation. „SO SORRY! – ALEA IACTA EST“ der österreichischen Künstlerin Sabine Wiedenhofer zu sehen. Sie setzt am Ende der Reise durch die Pavillons der Nationen einen aufwühlenden Schlusspunkt, der zum Nachdenken auffordert und Appell an ein verantwortungsvolles Miteinander ist. Wiedenhofer interpretiert das Leben als Glückspiel – als Metapher für den Lebensweg der Menschheit. Denn man hat nicht immer die Würfel und Spielfiguren seines Lebens selbst in der Hand. Vieles hängt davon ab, wo man geboren wurde, welche Nationalität man hat, welcher gesellschaftlichen Gruppe man angehört und auch, was man aus den Rahmenbedingungen, die einem das Leben bietet, macht.

bis 24. November 2024

Sabine Wiedenhofer, Tesa 99/Arsenale Nord, Foto: Elena Azzalini

Sabine Wiedenhofer, Tesa 99/Arsenale Nord, Foto: Elena Azzalini

 


Martha Jungwirth
Galleria di Palazzo Cini

Die Fondazione Giorgio Cini präsentiert in Kooperation mit der Galerie Thaddaeus Ropac neue Werke der österreichischen Künstlerin Martha Jungwirth. Kuratiert wurde die Schau von Luca Massimo Barbero, Direktor des Instituts für Kunstgeschichte der Fondazione Giorgio Cini. Jungwirth bezieht sich dabei auf Joseph Conrads Novelle „Herz der Finsternis“ von 1899, die sie als junge Frau gelesen hat. Diese erzählt die fiktive Geschichte einer belgischen Dampfschiff-Expedition auf dem Fluss Kongo und dokumentiert die Dunkelheit und Brutalität des europäischen Kolonialismus in Afrika. Nach dem Besuch des Pariser Musée de l'histoire de l'immigration im Palais de la Porte Dorée, der sie tief bewegt hat, kam ihr das Buch wieder in Erinnerung. Die Bilder entstanden unmittelbar nach dem Besuch in Paris und spiegeln ihre Gefühle und Erinnerungen an das Gesehene wider. Die für Jungwirths Palette ungewöhnlichen satten Grün- und Petroltöne geben die dichte grüne Landschaft des zentralafrikanischen Regenwaldes wieder, der in Conrads Novelle beschrieben wird. 

bis 29. September 2024

Installation view of Martha Jungwirth: Herz der Finsternis at Galleria Palazzo Cini, Venice, 17 April—29 September 2024. © Martha Jungwirth /Bildrecht, Wien 2024. Courtesy Thaddaeus Ropac gallery, London · Paris · Salzburg · Seoul. Photo: Matteo Losurdo

Installation view of Martha Jungwirth: Herz der Finsternis at Galleria Palazzo Cini, Venice, 17 April—29 September 2024. © Martha Jungwirth /Bildrecht, Wien 2024. Courtesy Thaddaeus Ropac gallery, London · Paris · Salzburg · Seoul. Photo: Matteo Losurdo


Willem de Kooning
Gallerie dell'Accademia di Venezia

Wem der Biennale-Trubel über den Kopf wächst, sei ein Besuch in der Gallerie dell'Accademia di Venezia empfohlen. Die hier zu sehende Ausstellung Willem de Koonings (1904–1997) ist die größte je gezeigte in Italien und fällt mit 75 präsentierten Werken hervorragend aus. Denn die beiden Kuratoren Gary Garrels und Mario Codognato zeichnen anhand der späten 1950er- bis in die 1980er-Jahre italienische Einflüsse im Wirken des in den Niederlanden geborenen und in New York verstorbenen Künstlers nach. Schließlich war de Kooning insgesamt auf sechs Venedig-Biennalen vertreten, 1950 einer der ersten Künstler im US-Pavillon und insgesamt für seine eklektische Herangehensweise bekannt. So „übersetzte“ de Kooning etwa in Rom entstandene Schwarz-Weiß-Zeichnungen nach Amerika. In ausgestellten Gemälden kann derweil das inspirierende italienische Licht nachvollzogen werden und eindrucksvolle Objekte zeigen, wie der Künstler den Weg zur Skulptur fand. 

bis 15. September 2024

Installation View of Willem de Kooning and Italy , Gallerie dell’Accademia, Venice, 2024 © 2024 The Willem de Kooning Foundation, SIAE. Photograph by Matteo de Fina, 2024.

Installation View of Willem de Kooning and Italy , Gallerie dell’Accademia, Venice, 2024 © 2024 The Willem de Kooning Foundation, SIAE. Photograph by Matteo de Fina, 2024.


Josèfa Ntjam
Accademia di Belle Arti

Die Berliner LAS Art Foundation präsentiert die Künstlerin Josèfa Ntjam in einem eigens entworfenen Pavillon im Innenhof der Accademia di Belle Arti in der Nähe der Zattere. Innerhalb des immersiven Environments aus Film und Klangskulpturen entwickelt sich eine fiktive Erzählung über Planktonorganismen, die Kosmos und Tiefseedunkelheit, Vergangenheit und Zukunft miteinander verbindet. Ntjam macht eine Schlange zu einer ihrer Protagonistinnen, in der sie zahlreiche Mythen und deren Gottheiten, beispielsweise der Dogon-Kosmologie, allegorisch verkörpert sieht. Während sich diese aus dem Universum durch alterfuturistische Landschaften aalt, sind leise Stimmen aus den umgebenden Quallen- und Muschelskulpturen aus biobasiertem Kunstharz zu hören, welche die Geschichte ihrer Freundin, der Schlange, erzählen. Darstel­lungen westafrikanischer Statuen in schwimmenden Blasen oder zwischen den Algen am Meeresgrund verweisen immer wieder auf die Wasserwege, deren sich die Kolonisierung bedient hat. Damit verwebt die Künstlerin zahlreiche Fragmente aus Geschichte, Mythos, Wissenschaft und Science-Fiction, die sich schlussendlich kaum entwirren lassen und doch einen Gesamteindruck hinterlassen. Begleitet wird die Installation von einem Soundtrack der Komponistin Fatima Al Qadiri. 

bis 24. November 2024

LAS Art Foundation | UNA / UNLESS Temporary Pavilion at the Accademia di Belle Arti, Venice, 2024. Commissioned by LAS Art Foundation. © 2024 UNA / UNLESS. Photo: Andrea Rossetti / Héctor Chico

LAS Art Foundation | UNA / UNLESS Temporary Pavilion at the Accademia di Belle Arti, Venice, 2024. Commissioned by LAS Art Foundation. © 2024 UNA / UNLESS. Photo: Andrea Rossetti / Héctor Chico


Janus
Palazzo Diedo

Der Nicolas Berggruen Charitable Trust hat den Palazzo Diedo erworben, umfassend restauriert und zum Sitz der Berggruen Arts & Culture gemacht. Künstlerischer Leiter wurde Mario Codognato, ehemals Kurator am Wiener Belvedere und zuletzt Direktor der Anish Kapoor Foundation in Venedig. Gemeinsam mit der Kuratorin Adriana Rispoli zeichnet er für die Eröffnungsausstellung „JANUS“ verantwortlich. Der Titel steht symbolisch für das Ziel der Ausstellung, das Historische und das Zeitgenössische miteinander zu verbinden. Elf internationale Künstler wurden beauftragt mit ihren Werken, Deckengemälden und Installationen auf die Räume des Palazzos zu reagieren, der im 18. Jahrhundert von dem venezianischen Architekten Andrea Tirali entworfen wurde. Carsten Höller tat dies mit Augenzwinkern – seine Stiege fügt sich in die Gerüste der noch andauernden Restaurierungsarbeiten. Lee Ufan hingegen schuf mit seinen ikonischen Werken Räume der Stille. Ein sehenswerter Rundgang bietet weitere Arbeiten von Urs Fischer, Piero Golia, Ibrahim Mahama, Mariko Mori, Sterling Ruby, Jim Shaw, Hiroshi Sugimoto, Aya Takano und Liu Wei.

bis 24. November 2024
 

Urs Fischer, Omen, 2024, Hand-blown mirrored glass. Photo by Massimo Pistore. Courtesy of Gagosian and Berggruen Arts & Culture, Palazzo Diedo

Urs Fischer, Omen, 2024, Hand-blown mirrored glass. Photo by Massimo Pistore. Courtesy of Gagosian and Berggruen Arts & Culture, Palazzo Diedo


Wael Shawky
Museo di Palazzo Grimani

Die aktuellen Sonderausstellungen präsentiert den US-amerikanischen Künstler Rick Lowe und bis 30. Juni Wael Shawkys Epos „I am Hymns of the New Temple“. Der 2022 in den Ruinen von Pompeji gedrehte Film erzählt von Mythen und Mythologien, die sich mit Volksmärchen oder Legenden überlagern, stets neu interpretiert werden und so Identitäten konstruieren. Ergänzend werden einige Masken und Objekte aus dem Film in den historischen Räumen des Palastes gezeigt.

Wael Shawky, Museo di Palazzo Grimani, Foto: PARNASS

Wael Shawky, Museo di Palazzo Grimani, Foto: PARNASS

Hans Weigand
Palazzo Pisani S. Marina

Ein Must-see ist auch die von Mario Codognato kuratierte Ausstellung des österreichischen Künstlers Hans Weigand. Seine großformatigen Holzschnitte zeigen eine utopische Welt zwischen Popkultur und mythologischer, religiöser Motivik bis hin zu apokalyptischen Szenen. Weigand versteht es, diese Themen in die Gegenwart zu transferieren. Altmeisterliches verbindet sich mit der Underground-Kultur des Punk und Rock und der Surf-Popkultur der 1990er-Jahre, als Weigand in Los Angeles lebte. Weigand war auch Teil der künstlerischen Aufbruchgeneration der 1980er-Jahre, spielte in der Wiener Künstlerband Pas Paravant und bildete mit Heimo Zobernig das Duo Avoi-Dance.

bis 30. Juni 2024

Hans Weigand © gerdastudio

Hans Weigand © gerdastudio


Weitere Einblicke

Part 1 Pavillon Favoriten


Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag lesen Sie in unserer Sommerausgabe.

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