Das Must-See des Sommers in Wien: Susana Pilar

Die Secessionskuppel trägt im Juni und Juli 2024 schwarz. Mit hunderten dunklen Strümpfen wurden die goldenen Blätter des Hauptes der Secession überzogen, geknüpft im Bantu-Knoten, eine Frisur der Zulu in Südafrika mit mehr als hundertjähriger Tradition. Damit setzt die Künstlerin Susana Pilar Delahante Matienzo ein kräftiges Zeichen für Sichtbarkeit ihrer kulturellen Wurzeln.

Geschichtsumschreibung Dank der KI

Schubladen dürfen aufgemacht und Stühle gerückt werden, im Kabinett aus historischen Schreibtischen und Sekreteren das Susana Pilar Delahante Matienzo aktuell in der Secession inszeniert wird zum Mitmachen aufgerufen, eine Metapher wohl auch unserer gesellschaftlichen Verantwortung. Im schummrigen Lampenlicht präsentieren sich Erinnerungen auf zerkratzten schwarz-weiß Fotografien: Scheinbar vergessene Einblicke in vergangene Zeiten. Doch die vermeintlich historischen Fundstücke sind noch gar nicht so alt wie sie wirken. „Ich nutze meine Vorstellungskraft, um Archive zu verändern“, proklamiert die Künstlerin. Mittels KI kreiert sie fotografische Szenen, die es so gar nie vor der Originallinse gab. Während People of Colour im 19. Jahrhundert oft als Sklaven arbeiten mussten, steckt Susana Pilar sie in prächtige Kleider, üppige Bühnenbilder und selbstbewusste Rollen.

Ich mag es schwarze Frauen in Positionen der Macht zu zeigen.

Susana Pilar Delahante Matienzo, Achievement, 2024, KI-generiertes Bild, variable Dimensionen

Es gilt die Wahrnehmung der Geschichte kritisch zu befragen. Markant wird dies, auch wenn man bedenkt, wie Susana Pilar berichtet, dass selbst die KI People of Color im ersten Moment in ärmliche Kleider steckt – bewusst unterwandert die Künstlerin also die hinterlegten Versatzstücke unserer Vergangenheit und erweitert so wortwörtlich das Bild des Gewesenen. Auch stellte Susana Pilar Delahante Matienzo in Recherchen fest, wie einfach es ist historische Informationen über Spanier, die Kolonialmacht in Kuba, woher die Künstlerin kommt, zu finden, wie groß die Lücken jedoch bezüglich der eigentlichen Einwohner Kubas in den Archiven sind.

Als Künstlerin mit afrikanischen und chinesischen Wurzeln, weiß sie aus der eigenen Familie, dass man sich für die Familiengeschichte in erster Linie nur auf mündliche Überlieferungen berufen kann, sie sei der einzige Weg „die Geschichte am Leben zu erhalten“, so Susana Pilar. Die von Bettina Spörr kuratierte Ausstellung vollzieht sich entsprechend in mehreren Teilen – so trug Susana Pilar in einer Eröffnungsperformance Oral History Interviews vor. Sie tat es von der Kuppel der Secession aus. Jenem Herzstück der Schau, das Susana Pilar Delahante Matienzo komplett neu ausrichtete, indem sie die goldenen Blätter Secessions-Kuppel mit schwarzem Stoff überzog. Joseph Maria Olbrich verstand die Kuppel als Kopf des Gebäudes, nun erhielt dieser kurzfristig im Juni eine radikal neue Frisur – aus Gold wird Schwarz und ein lautes Zeichen für eine diversifizierte, offene und kritische Geschichte und Gegenwart.