Francesca Gavin im Gespräch

Die Frau hinter der neuen viennacontemporary

Francesca Gavin, © Foto: Ida Hermansen

Sie ist umtriebiger Kunst-Profi – Chefredakteurin des Kunstmagazins EPOCH, Kuratorin und Autorin – sowie die neue künstlerische Leiterin der viennacontemporary. PARNASS sprach mit Francesca Gavin über die aktuellen Schwierigkeiten des Kunstmarktes, den Blick auf Wien aus der Perspektive der Londonerin und die Vision einer hochkarätigen Messe im Zentrum internationaler Kunstkalender.


PARNASS: Wie beurteilen Sie den Kunstmarkt im Moment?

Francesca Gavin: Der Kunstmarkt spiegelt einen Großteil der politischen und wirtschaftlichen Veränderungen wider, die derzeit stattfinden. Und er rekalibriert sich nach der Pandemie und im Zusammenhang mit den Ereignissen in Russland und Israel. Es ist ein ungewöhnlicher Moment, aber ich spüre einen starken Kaufappetit. Und es ist tatsächlich ein großartiger Zeitpunkt, um zu kaufen, denn die Hyperspekulation, die wir zuvor erlebt hatten, hat sich ein wenig beruhigt. Man bekommt also hochwertige Werke zu einem vernünftigen Preis. Es gibt erstaunliche Kunst aus Wien und der Region, und ich freue mich darauf, eine breite Palette davon zu zeigen. Ich bin zuversichtlich in Bezug auf die viennacontemporary. Im Vergleich zu Messen wie der Art Basel sind wir recht klein, aber ich denke, dass das zu unserem Vorteil ist.

Location: Messe Wien, Halle D, Foto: Maria Belova

Location: Messe Wien, Halle D, Foto: Maria Belova

P: Die neue Fläche der Messe Wien ist etwa fünfmal so groß wie der Kursalon, in dem die letzten Messen stattfanden.

FG: Wir haben viel mehr Platz, so dass die Galerien mehr Kunst zeigen können. Die Struktur wirkt geräumig, linear und sehr definiert. Es ist ein ganz besonderer Ort, ich würde ihn als neoklassische Moderne beschreiben. Ich möchte eine sehr einfache, leicht verständliche Kunstmesse, in der sich jeder, der hereinkommt, ohne Schwierigkeiten zurechtfindet, und in der die Kunstwerke Raum zum Atmen haben.

P: Welche Art von Standarchitektur können wir erwarten?

FG: Wir haben uns für einen klassischen Ansatz in der Architektur entschieden, ziemlich minimalistisch und offen, wir haben es sauber gehalten. Wenn man auf Messen geht, wird man oft überwältigt. Ich möchte, dass es eine angenehme Erfahrung ist.

P: Ich gratuliere zu Ihrer Wahl der Kuratoren: Pernilla Holmes für „CONTEXT“, Mirela Baciak für „STATEMENT“ und Bruno Mokross für „ZONE1“.

FG: Ich kenne Pernilla Holmes seit vielen Jahren als großartige Autorin und fantastische Kuratorin. Sie ist eine vertrauenswürdige Stimme für Qualität und eine Kunstberatung, die sich auf internationale Sammler konzentriert – mit einem Bewusstsein dafür, was die Leute sehen und kaufen wollen. Wenn man Österreich hört, denkt man sofort an die Geschichte, und in der Rubrik „CONTEXT“ möchte ich aufzeigen, wie die zeitgenössische Kunstszene aus dem historischen Kontext der Region hervorgeht.

Robert Sebastian Schachinger, Windhager von Kaenel, Foto: Fritz Enzo Kargl

Robert Sebastian Schachinger, Windhager von Kaenel, Foto: Fritz Enzo Kargl

Die Sektion VCT STATEMENTwird sich mit dem Thema „Energie“ beschäftigen. Mirela Baciak, Direktorin des Kunstvereins Salzburg, kuratiert sie und eröffnet eine Hälfte der Ausstellung auf der Messe und die andere Hälfte eine Woche später in Salzburg. Es war mir wichtig, die Unterstützung von Institutionen auch außerhalb Wiens zu zeigen.

Für die ZONE1, die sich auf die junge Szene konzentriert, war Bruno Mokross eine naheliegende Wahl. Er setzt sich für eine jüngere Generation von Künstlern ein und ist eine starke Kraft innerhalb der Wiener Kunstszene: Jeder kennt ihn, mit dem Independent Space Index und dem von ihm geführten Kunstraum Pech (Pinacoteca. Künstlerische Diskurse in Theorie und Praxis) ist er ein wichtiger Unterstützer der Wiener Szene.

Pernilla Holmes, Kuratorin für "CONTEXT" © viennacontemporary

Pernilla Holmes, Kuratorin für "CONTEXT" © viennacontemporary

Mirela Baciak, Kuratorin für „STATEMENT“, Foto: kunst-dokumentation.com

Mirela Baciak, Kuratorin für „STATEMENT“, Foto: kunst-dokumentation.com

Bruno Mokross, Kurator für "ZONE1", 2024, Foto: Maria Belova

Bruno Mokross, Kurator für "ZONE1", 2024, Foto: Maria Belova

P: Letztes Jahr haben Sie ZONE1 kuratiert – wie lautete Ihr Resümee?

FG: Ich habe mich sehr gefreut dass viele Künstler durch ihre Teilnahme an ZONE1 Beziehungen zu Galerien aufbauen konnten. Messen können ziemlich Malerei-lastig sein, und ich war froh, dass wir verschiedene Medien boten und ZONE1 ein Raum für Experimente wurde. Ich wollte die Bandbreite dessen, was aus Österreich kommt, repräsentieren. Dieses Land ist viel internationaler und vernetzter, als man erwarten würde. Bei jedem Kunstereignis auf der Welt ist ein Künstler aus Wien dabei, das ist wirklich spannend und das Netzwerk der Szene überrascht mich immer wieder. Aufstrebende Kunst ist die Grundlage dafür, dass eine Stadt spannend wird, und sie ist ein großer Teil dessen, was Wien so besonders macht.

P: Stimmt es, dass Sie mitten in der Pandemie nach Wien gezogen sind?

FG: Ja, ich bin an dem Tag umgezogen, an dem die Grenzen 2020 geöffnet wurden, mitten in der Pandemie. Als ich kam, hatte ich nicht die Absicht zu bleiben. Aber dann hatte ich einen der schönsten Sommer meines Lebens. Die Kunstwelt ist ein unglaublicher Life-Hack, wenn es darum geht, Menschen zu treffen. 

Wien hat enormes Potenzial – geografisch, historisch, konzeptionell – um eine wirklich starke Stimme in der Kunstwelt zu sein.

P: Wie haben sich die Monate seit Ihrer Ernennung zur künstlerischen Leiterin gestaltet?

FG: Ich habe ein starkes Gefühl für doe österreichische Szene ist, aber es ist auch spannend, dass ich mit einem internationalen Blick  komme. Ich möchte eine sehr internationale Auswahl von Kuratoren und Sammlern nach Wien bringen. In den letzten Monaten habe ich mich darauf konzentriert, Treffen mit Galerien in Österreich, aber auch im Ausland zu organisieren. Es ist mir wichtig, den Galerien, die seit Jahren mit der Messe zusammenarbeiten, treu zu bleiben, aber ich freue mich auch, internationale Gäste nach Wien zu bringen. Messen sind Orte, an denen man seine Beziehungen ausbauen kann. Also habe ich viele Veranstaltungen besucht, gelächelt und den Leuten gesagt, dass sie kommen sollen.

Francesca Gavin, Foto: Maria Belova

Francesca Gavin, Foto: Maria Belova

P: Wie geht es mit Ihren anderen Tätigkeiten weiter?

FG: Im Grunde habe ich immer das Gefühl, dass sich die Elemente meiner Arbeit gegenseitig befruchten – zum Beispiel kann ein Vortrag hier und da in der richtigen Institution der viennacontemporary nur nützen. Ich bin eine Botschafterin der Messe und viele Leute kennen ihren Namen, weil sie mich getroffen haben. Wir waren zum ersten Mal in der Financial Times, ich denke, das sagt viel.

P: Woher nehmen Sie Ihre Kreativität, wenn Sie eine Kunstmesse kuratieren, die, wie ich mir vorstellen kann, in erster Linie wirtschaftlich ausgerichtet ist?

FG: Ich denke, die beiden Dinge sind miteinander verknüpft: Wenn man gute Galerien einlädt, bekommt man auch gute Künstler. Für mich ist es wirklich wichtig, dass wir Qualität haben. Natürlich ist es keine kuratorische Aufgabe, eine Messe zu organisieren, sondern es geht eher darum, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erzeugen, und darum, zu vermitteln. Ich würde mich freuen, wenn die Leute nach Wien kommen und Dinge sehen, die sie schon kennen, aber dann Gespräche führen, die sie noch nicht geführt haben.

P: Wie stehen Sie zu den anderen nationalen Akteuren – SPARK, STAGE, Art Vienna usw.?

FG: Die Kunstwelt sollte sich gegenseitig ermutigen. Wenn in Wien oder anderswo in Österreich etwas gut läuft, dann kann das dem gesamten Kunstmarkt im Land nur zugutekommen. Unsere Kunden auf der Messe sind die Galerien – daher bin ich ein Fan von Ermutigung.

P: Was ist Ihre Vision für heuer und die folgenden Jahre?

FG: Ich habe erlebt, wie eine Messe eine Stadt verändern kann. Ich habe es bei der Frieze in London erlebt, wo jetzt der gesamte Kultursektor der Stadt zum Leben erwacht. In gewisser Weise würde ich mir wünschen, dass das auch in Wien passiert. Ich denke, dass 2024 ein großartiges Jahr sein wird, in dem die viennacontemporary die Ernsthaftigkeit dessen, was sie tut, unter Beweis stellen und sich an einem neuen Ort etablieren wird.

vienna contemporary 2023 | ZONE 1, © Kunst Dokumentation

vienna contemporary 2023 | ZONE 1, © Kunst Dokumentation

Ich würde mich freuen, wenn mehr aufstrebende Galerien Lust bekommen, bei uns auszustellen, und ich möchte eine große Zahl an Käufern nach Wien holen. Außerdem möchte ich die Beziehungen zu Institutionen und zu Curated by vertiefen. Der Unterschied zwischen Wien und Basel ist, dass die Leute wirklich die Stadt besuchen wollen, und der September ist ein großartiger Monat dafür. Ich würde mich freuen, wenn unsere Messewoche in drei Jahren diejenige ist, bei der die ganze Kunstwelt das Gefühl hat, dass sie nach dem Sommer wieder zu Leben erweckt.

viennacontemporary 2024

Messe Wien, Halle D
Trabrennstraße 7
1020 Wien
Österreich

viennacontemporary 2024
12. bis 15. September

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