Risse im Gebälk

Messen in der Krise?

vienna contemporary 2023 | ZONE 1, Credits: Kunst Dokumentation

Das erste Halbjahr 2024 hat das Konzept »Internationale Kunstmesse« – zumindest in Europa und den USA – in Frage gestellt. Ist dies der Wirtschaftslage geschuldet oder gewinnen „neue“ Weltregionen und alternative Präsentationsformen an Bedeutung? Den ausführlichen Bericht zum Messeherbst lesen Sie in unserer kommenden Herbst Ausgabe – hier ein kleiner Einblick.


Eine Hochschaubahnfahrt. Die Performances internationaler Kunstmessen ähnelten einer solchen. Wobei, zieht man lediglich die finanziellen Erträge in Betracht, die rasante Talfahrt vorherrschte – ohne Bergfahrt. Da half es wenig, wenn Kunstmessen mit ihrer Einladungs- und Vermittlungspolitik den Austausch zwischen Galerien, Kunst- und Kulturinstitutionen sowie Kuratoren nachhaltig förderten. Am Ende der Messetage zählen die erzielten Verkäufe.

Steht das erfolgreiche Konzept »Internationale Kunstmesse« vor dem Ende? Oder ist die Missstimmung das Ergebnis der Wirtschaftslage mit hoher Inflation und enormen Preissteigerungen?

Ein Rückblick zum heurigen Frühjahr

Es gibt zu viele Kunstmessen: Fast jedes Wochenende können Interessierte in Metropolen rund um den Erdball verbringen, um Kunstmessen zu besuchen. Und die Konkurrenz zwischen den Städten wird härter. Da hilft es, wenn wie zum Beispiel in Madrid während der Arco alle an einem Strang ziehen, um die kulturellen, architektonischen wie lukullischen Vorteile der spanischen Hauptstadt zu präsentieren. In Krisenzeiten hat die Arco dazu den Vorteil, als Verein nicht auf Gewinn ausgerichtet zu sein. Daher kann sie Einnahmen in die Einladung von Sammlern und den Ankauf von Kunst während der Messe investieren. Und die Sammler kommen jedes Jahr gerne zurück.

Brüssel ist anders: Dem 40. Jubiläum der Art Brussels blieben potente deutsche Käufer fern, denn „das Rheinland war in Berlin“. In der deutschen Hauptstadt fand zur gleichen Zeit das Galerien-Wochenende statt.

Art Brussels 2024, Foto: David Plas

Art Brussels 2024, Foto: David Plas

Nebenbei hatte Brüssel zwei weitere Nachteile: Auf der einen Seite haben die Organisatoren durchgesetzt, vom kleinen, feinen Boutique-Messe-Format Abschied zu nehmen und zu einer Großveranstaltung mit mehr als 100 Ausstellern zu werden. Um die Hallen zu füllen, musste die künstlerische Qualität leiden. Da wurde nicht mehr das Galerienprogramm auf originäre Kreativität abgeklopft. Eine Problematik, mit der die heurige Viennacontemporary ebenfalls zu kämpfen hat.

Auf der anderen Seite versucht die Regierung in Belgien den Steuersatz auf Kunst massiv zu erhöhen (von sechs auf 21 Prozent). Ein Ansinnen, das den Kunst-Standort Brüssel gefährdet, da das Abwandern von Galerien und Künstlern befürchtet wird.

Wobei einige Kilometer weiter das Steuer-Argument in die entgegengesetzte Richtung vorgebracht wurde: Bei der Art Düsseldorf führten Galeristen Nichtverkäufe darauf zurück, dass mit Jahresanfang 2025 (!!!) der Steuersatz auf Kunst von 19 auf sieben Prozent gesenkt wird. Tenor: Deutsche Sammler wären ja „doof“ (ein Galerist), wenn sie ihr Geld bereits im April 2024 in Kunst investieren. Klingt nach Ausflüchten nach einer „wirklich desaströsen Ausgabe der Kunstmesse“ (österreichische Galeristin).

Installationsansicht Art Düsseldorf 2023, courtesy Copperfield Gallery and the artists. Photo by Nicola Morittu

Installationsansicht Art Düsseldorf 2023, courtesy Copperfield Gallery and the artists. Photo by Nicola Morittu

Die Kunstmessen haben die Kluft zwischen den Galeriengroßkonzernen sowie den mittleren und kleinen Galerien vertieft: Teuer geht immer. Bei der Art Basel konnten die „Big Players“ wie Gagosian, Hauser & Wirth, Zwirner oder Pace mit Millionenverkäufen punkten. Kleinere und mittlere Galerien haben sich selbst bei der renommiertesten Kunstmesse schwergetan. Und die Liste Basel – als die Entdeckermesse vergangener Jahrzehnte – hat in den letzten zwei, drei Jahren fast ihr gesamtes Renommee verspielt: Die Verkäufe und die Qualität des Gezeigten sind vielfach erschreckend.

In Österreich hat die Premiere der Stage Art Fair in Bregenz für einiges an Aufsehen gesorgt: Die atemberaubende Präsentation im Festspielhaus und die ausgezeichneten Museumsausstellungen in der Region sorgten für internationales Interesse. Aber der Verkauf muss noch anziehen, bekam man von vielen Seiten zu hören.

Hauser & Wirth, Courtesy of Art Basel

Hauser & Wirth, Courtesy of Art Basel

In Wien konnte die Spark – nachdem sie im Vorjahr ausgefallen ist – bei Galerien, Künstlern und Publikum punkten. Das Format der Einzelpräsentationen findet Zuspruch. Ob es sich die Organisatoren im kommenden Jahr wieder leisten werden können (oder wollen), den Galerien und dem Kunsthandel derartig großzügige Konditionen für die Messestände anzubieten, steht auf einem anderen Blatt.

Ironie der Geschichte: Im kommenden Jahr finden die Stage und die Spark am gleichen März-Wochenende statt.

Welche Perspektiven bietet der Herbst?

Anfang September kannibalisieren sich zum Auftakt zwei große Kunstmessen: Die Armory Show in New York und die Frieze in Seoul finden gleichzeitig statt. Ein Blick auf die Ausstellerliste zeigt, dass Seoul auf die wichtigen Galerien verweisen kann, wohingegen die Armory Show eher schwachbrüstig daherkommt. Treppenwitz: Das Entertainment-Unternehmen Endeavor hat die Armory vor einem Jahr übernommen. Auch in dessen Portfolio – die Frieze-Kunstmessen.

Anmerkung: Marktplatz Seoul gegen New York. Es sind die Kunstmessen in Asien – wie Hongkong, Shanghai oder Singapur – die momentan erfolgreicher agieren als jene in den USA und Europa. Steht hier ein einschneidender regionaler Wechsel bevor?

The Armory Show, 2023. Foto Credit: Vincent Tullo, courtesy The Armory Show

The Armory Show, 2023. Foto Credit: Vincent Tullo, courtesy The Armory Show

Der Herbst beginnt Wien spektakulär.

Die PARALLEL hat sich trefflich am Otto-Wagner-Areal am Steinhof eingerichtet und ist interessanterweise – als Satellitenmesse – ein stabiler Fixpunkt im Kunstkalender. Ebenso das Galerienfestival „Curated by“.

Die Viennacontemporary hat sich – wie bereits erwähnt – vergrößert und lässt sich wieder am Messegelände nieder. Von österreichischer Seite sind alle Galerien sowohl mit Rang als auch weniger Namen vertreten. Auf der internationalen Seite ist viel Luft nach oben. Zumindest zwei Neuerungen gilt es zu erwähnen: Endlich wird in der Donaumetropole der queeren Kunst, die in den USA seit Jahren verkaufstechnisch reüssieren kann, Reverenz erwiesen. Erstmals wird im Rahmen der Messe der „Queer Art Prize“ verliehen.

Location: Messe Wien, Halle D, Foto: Maria Belova

Location: Messe Wien, Halle D, Foto: Maria Belova

Außerdem hat die Muttergesellschaft „VC Artfairs“ einen neuen 50-Prozent-Mitbesitzer: Die Massar Capital Management Company des in Wien lebenden Libanesen Marwan Younes hat die Hälfte des Unternehmens übernommen. Younes, der sich gerne als „Socialite“ in Kunstkreisen bewegt, einige zeitgenössische Kunstwerke in seinem Büro platziert hat, tritt damit die – nicht unmittelbare – Nachfolge von Dmitry Aksenov, dem ehemaligen Hauptanteilseigner der Gesellschaft, an.

Aksenov tritt dafür mit dem Salon Particolare in Erscheinung: Als Finanzier einer alternativen Präsentationsform zeitgenössischer Kunst. Es werden im Wiener Kursalon rund 50 Arbeiten renommierter, internationaler Künstlerinnen und Künstler präsentiert, deren Werke als Kommission von Galerien wie Pace, Mennour oder Lisson übernommen und verkauft werden sollen. Die Organisatoren nennen es „A Collectible Exhibition“. Ergänzt wird die Präsentation durch Konzerte, Performances und dem Schwerpunkt „KI in der Kunst“.

Nachdem die PARALLEL und die Viennacontemporary (zahlreiche Aussteller bespielen beide Formate) die meisten Galerien binden, sieht es für nachfolgende Kunstmessen nicht optimal aus, ihre Hallen oder Zelte zu füllen: Von der Art Vienna über die Fair for Art bis zur Art Austria werden Galerien und Kunsthändler gesucht. Aber einige Organisatoren sind ja Meister im Rabattieren.

Auf internationaler Ebene wird es sicherlich spannend die erste Ausgabe der Art Basel Paris (ja, die Kunstmesse ist vom verqueren Ausdruck Paris+ par Art Basel abgekommen) zu besuchen: Denn die findet endlich im renovierten, überaus großzügigen Grand Palais statt. Wie Zuseher bereits während der Übertragungen der Olympischen Spielen beobachten konnten, ist der Bau einfach atemberaubend!

Art Vienna 2023, Orangerie, © Sandra Photo Art Design

Art Vienna 2023, Orangerie, © Sandra Photo Art Design

Parallel Vienna,   11.09.2024    -    15.09.2024

PARTICOLARE,  11.09.2024    -    15.09.2024

Vienna Contemporary,  12.09.2024    -    15.09.2024

Curated By,   17.09.2024    -    19.10.2024

Art Vienna,  20.09.2024    -    22.09.2024

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