zwischen präziser Zeichnung und freier Geste

TOMAK im Museum Angerlehner

TOMAK, Ausstellungsansichten "Game over - Press start", Fotos ©Johann Wimmer

Kuratiert von Antonio Rosa de Pauli zeigt TOMAK in der großen Halle des Museums Angerlehner neue Werke. Zeichnungen, Malerei und Skulptur – gestisch, spontan, wild – eine Zäsur seiner bisherigen künstlerischen Praxis?


 

„GAME OVER – PRESS START“

Folgt man dem Ausstellungstitel, so ist beides vorhanden: das Ende und der Anfang. Noch ist das Spiel des Künstlers also nicht aus. Im Gegenteil, gleich einem Regisseur tritt TOMAK als Invader auf und leitet sein ganz eigenes Spiel als Reflexion über sein bisheriges Schaffen, als Tour de Force seiner inneren Denkprozesse und als Metapher für das Leben selbst. Dabei schließt er an sein großes Thema Mensch und Maschine an, doch anders als bisher dominiert die malerische Geste über die realistische Zeichnung.

TOMAK selbst sieht die Ausstellung als Zäsur, als Befreiung, um, wie der Titel impliziert, den Startknopf erneut zu drücken.

TOMAK, Ausstellungsansichten "Game over - Press start", Fotos ©Johann Wimmer

TOMAK, Ausstellungsansichten "Game over - Press start", Fotos ©Johann Wimmer

Mittlerweile habe ich mich durch die ganze Wissenschaft gezeichnet und gemalt.

TOMAK

Mit seinen detailgenauen anatomischen Zeichnungen, über die er Textfragmente schrieb, war TOMAK über viele Jahre sehr erfolgreich. Doch er habe, so der Künstler, „sich damit bewusst für das Apollinische und gegen das Dionysische entschieden. Die Zeichnungen spiegelten seine Erfahrungen und sein persönliches Weltverständnis wider. Innerhalb der Zeichnung sucht TOMAK nach Welterklärungen „eine künstlerische Praxis“, wie er sagt, die er für sich gefunden hat und die dem Apollinischen gegenüber dem Dionysischen den Vorzug lässt.

"Mittlerweile habe ich mich durch die ganze Wissenschaft gezeichnet und gemalt. Mir ging das Gestische einfach ab, auch wenn ich es über die Texte hineingebracht habe. Doch als Künstler entwickelt man sich weiter und möchte Grenzen ausloten. Dazu hat diese Ausstellung nun die Möglichkeit geboten.“ Und so hat er sie ergriffen..

Das Selbst hat keine Löcher, 60 x 50 cm, Bleistift auf Papier, 2023_24_© Heidi Pein

Das Selbst hat keine Löcher, 60 x 50 cm, Bleistift auf Papier, 2023_24_© Heidi Pein

 

Doch hält er daran fest, seine Denkprozesse visuell zu formulieren und sich mit dem Thema Mensch und Maschine auseinanderzusetzen. Statt der mechanischen Maschine dominiert nun die KI. Lustvoll wie dystopisch zugleich arbeitet er sich an diesem Thema ab, hinterfragt die Rolle der digitalen Tools und schafft einen Parcours aus Zeichnungen, Übermalungen, Löschungen und Objekten. Zentral für sein philosophisches Konzept der Mensch-Maschine, wie de Pauli im Ausstellungskatalog schreibt, sind die Nervenbahnen, die elektronischen Reize durch das Innere unseres Körpers jagen und die er in den Buntstiftzeichnungen der „NERVUS“-Serie prägnant auf Papier setzt. In weiteren Bildern ersetzte er sie jedoch durch die Platine.

Ist sie die neue Nervenbahn, der Golem, wie er eine der Acrylarbeiten betitelt? Ist jegliche Emotion, oder wie TOMAK es nennt, „metaphysische Seele“ ausgeschaltet? Steht die Menschheit vor der vollständigen Übernahme durch die digitale Maschine?

Press Start I, 2024, 150x160 cm, Öl, Acryl, Siebdruck auf Leinwand_© Heidi Pein

Press Start I, 2024, 150x160 cm, Öl, Acryl, Siebdruck auf Leinwand_© Heidi Pein

Fakt ist, sie ist heute unentbehrlich. Lustvoll widmet sich TOMAK ihrer rhizomartigen Ausbreitung und entlarvt die in uns eindringende Maschine als Invader und ihre „geschwürhaften Ablagerungen“, so de Pauli, als amorphe Skulptur. Ist die die von ihm geschaffene Kreatur Milbo vielleicht doch eher ein Freigeist, der sich als abstrakte Form in den Raum einschreibt?

Der Gegensatz zwischen Kontrolle und Intuition, zwischen präziser Zeichnung und freier Geste prägt die Bilder dieser Ausstellung, doch diesmal scheint das Spontane die Oberhand zu bekommen, das Chaos über die Ordnung zu dominieren. Oder ist es vielmehr die Maschine, die genährt vom Menschen die Gestik übernommen hat, wie TOMAK in seiner Serie „Robots“ andeutet, in der er spontan mit beiden Händen die Darstellung eines Roboters auf die weiße Fläche setzt und ihn zur zentralen Figur erhebt?

 

TOMAK überrascht nicht nur durch die neue Bildsprache, sondern fordert – wie üblich – den Betrachter heraus. Die Ausstellung wird zum diskursiven Forum über die Frage nach der Beziehung zwischen Mensch und Maschine. GAME OVER – PRESS START ist daher im doppelten Sinn zu verstehen. Einerseits scheint der Stecker noch nicht gezogen zu sein, noch ist das Spiel nicht aus, noch besteht die Möglichkeit einer Umkehr und andererseits ist sie auch eine Zäsur in seiner bisherigen künstlerischen Praxis, mit der er, wie er in seinem im Katalog abgedruckten Text „TOME: DER SCHNITT“ schreibt:, „die Maske des manierierten Zeichners ablegt.“ Vielleicht liegt gerade in der unkontrollierten, intuitiv auf das Bild gesetzten Geste, im Rhythmus und der Sinnlichkeit der künstlerischen Handschrift die Antwort. Denn können Maschinen spontan sein? Die Antwort bleibt offen – wir drücken auf Start.

TOMAK_Portrait_1_©Flora P. Photography

TOMAK_Portrait_1_©Flora P. Photography

Museum Angerlehner

Ascheter Straße 54, 4600 Thalheim bei Wels
Österreich

TOMAK
GAME OVER – PRESS START

Ausstellung: 26.05. - 13.10.2024

Art Talk zur Finissage
So., 13.10.2024, 15 Uhr