Kunst als Beute: Von Napoleon bis Nationalsozialismus

Kunstraub im Fokus

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Musée des beaux-arts de Rennes, Stadtmuseum Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Von Napoleon bis in den Nationalsozialismus: Unrechtsamer Kunstdiebstahl ist ein schier ewiges Thema. Das Berliner Humboldt Forum zeigt nun bis Januar 2025 eine Ausstellung über geraubte Kunst, die vom Mauritshuis in Den Haag konzipiert wurde.


KUNST ALS BEUTE: VON NAPOLEON BIS NATIONALSOZIALISMUS

Als um das Jahr 2000 die deutschen Museen langsam begriffen hatten, dass sie in ihren Depots und Ausstellungssälen Kunst lagerten und zeigten, die ihnen womöglich nicht gehörte, begann noch keine hektische Forschung nach der Herkunft der Werke aus jüdischen Sammlungen. Sogar der Begriff der Provenienzforschung musste noch erklärt werden. Zögerlich etablierte sich der Forschungszweig an deutschen Museen und Archiven. Oft wurde der Weg eines Kunstwerks in eine Sammlung nur dann untersucht, wenn es ein Rückgabebegehren gab.

Heute, ein Vierteljahrhundert später, sind zwar auch noch längst nicht alle Bestände erforscht, doch zumindest das Bewusstsein, dass das nötig ist, besteht. Auch Rückgaben sowie „faire und gerechte“ Lösungen sind zur Normalität geworden. Während es in den ersten Jahren vor allem um die Rückgabe enteigneter Werke aus jüdischem Besitz ging, sind neue Forschungsfelder hinzugekommen. Denn nicht nur enteignete Sammler aus der DDR wiesen auf unrechtmäßig in Museumsbesitz befindliche Kunstwerke und Sammlungsstücke hin.

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Kolonialismus: Von Berlin zurück nach Nigeria

Auch die Regierungen ehemaliger Kolonien machten auf Raubkunst in den Sammlungen aufmerksam und forderten sie zurück. Die jüngste und wohl spektakulärste Rückgabe war die der 512 Benin Bronzen aus dem Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin an Nigeria 2022.

Dass geraubte Kunst nicht allein ein deutsches Problem ist, ist nicht neu. Doch eine Ausstellung, die niederländische und deutsche Provenienzgeschichten gemeinsam erzählt, gab es bisher noch nicht. Die Ausstellung „Kunst als Beute. 10 Geschichten“, die jetzt im Humboldt Forum in Berlin zu sehen ist, ist eine Kooperation mit dem Mauritshuis in Den Haag, wo die Ausstellung zuvor gezeigt wurde. Der Fokus liegt hier nicht allein auf deutscher Beutekunst, sondern spannt den zeitlichen Bogen von den napoleonischen Kriegen über die Kolonialzeit bis zum Nationalsozialismus.

Technik trifft Beutekunst

Das niederländische Museum hatte die Creative Directors Eline Jongsma und Kel O’Neill beauftragt, Beute-Geschichten zu inszenieren. Dafür nutzen die beiden Kunstwerke und Texte, doch vor allem modernste technische Mittel. Mit Hilfe von VR-Brillen betreten die Besucher zum Beispiel einen Tempelbezirk in Indonesien. Dort, auf einer Treppe zu Füßen der Betrachter, liegt ein Toter. In seiner rechten Hand der Kris, ein Dolch aus den Sammlungen des Ethnologischen Museums zu Berlin. Er ist ein Beispiel für ein „verwaistes“ Objekt, dessen Bedeutung heute nicht mehr bekannt ist. Der Dolch ist ein eher unscheinbares Museums-Objekt, doch durch die virtuelle Inszenierung bekommt er einen Kontext, wird geradezu „lebendig“.

Gipsabguss einer Benin Bronze aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, Foto: Thomas Schelper

Gipsabguss einer Benin Bronze aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, Foto: Thomas Schelper

Still der VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Jongsma + O'Neill

Still der VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Jongsma + O'Neill

Es ist die Stärke dieser Ausstellung, dass sie problematisiert, Fragen stellt, Lücken zeigt und die Besucher nicht mit letzten Gewissheiten entlässt. So wurde die so genannte „Kanone von Kandy“ 2023 von den Niederlanden an Sri Lanka restituiert. Den Niederlanden blieb ein digitales 3D-Modell der Kanone, dessen Entstehung jetzt auf einem Bildschirm in der Ausstellung zu sehen ist – neben der Festplatte, die die Daten dazu speichert. Die Frage, wem die digitale Reproduktion eines restituierten Gegenstandes gehört, wird gestellt. Eine Antwort steht noch aus.

Das schwierige Thema der Beutekunst technisch gekonnt, sinnlich und abwechslungsreich,  klug und reflektiert zu inszenieren, wie das hier passiert, ist ein absoluter Gewinn. Die Stärke der Ausstellung ist jedoch auch ihre große Schwäche. Wer nicht durch die VR-Brillen sieht, besucht eine lilafarbene Ausstellungsmöbellandschaft, in der sich – auch – ein paar Kunstwerke und Texte finden lassen.

Digitales 3D Modell der Kanone von Kandy aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Mauritshuis Den Haag

Digitales 3D Modell der Kanone von Kandy aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Mauritshuis Den Haag

Videostill aus der Dokumentation über den surinamischen Stab, © Mauritshuis Den Haag, Jongsma + O’Neill

Videostill aus der Dokumentation über den surinamischen Stab, © Mauritshuis Den Haag, Jongsma + O’Neill

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten" © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Mauritshuis in Den Haag, Jongsma + O’Neill / Foto: Alexander Schippel

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten" © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Mauritshuis in Den Haag, Jongsma + O’Neill / Foto: Alexander Schippel

Digitales 3D Modell der Kanone von Kandy aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Mauritshuis Den Haag

Digitales 3D Modell der Kanone von Kandy aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Mauritshuis Den Haag

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Musée des beaux-arts de Rennes, Stadtmuseum Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Musée des beaux-arts de Rennes, Stadtmuseum Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Still der VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Jongsma + O'Neill

Still der VR-Installation des Selbstporträts von Rembrandt aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Jongsma + O'Neill

Gipsabguss einer Benin Bronze aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, Foto: Thomas Schelper

Gipsabguss einer Benin Bronze aus der Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", © Staatliche Museen zu Berlin, Gipsformerei, Foto: Thomas Schelper

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Blick in die Ausstellung "Kunst als Beute. 10 Geschichten", Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, Foto: Alexander Schippel

Humboldt Forum

Schloßplatz 1, 10178 Berlin
Deutschland

bis 26. Januar 2025

Eintritt frei 

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