Elfriede Mejchar, aus der Serie "Oszillation (Salzburger Landesatelier)" 1988, Detail, Silbergelantineabzug auf Barytpapier, Foto: Fotosammlung des Bundes am Museum der Moderne Salzburg, Bildrecht Wien, 2024

Die Fotografin Elfriede Mejchar vereinte das Massive und das Fragile, Auftrag und Kunstanspruch, Dokumentarisches und Konzeptuelles. Drei Ausstellungen in Wien, Krems und Salzburg entdecken nun das Werk dieser zurückhaltenden Pionierin neu.


100. Geburtstag Elfriede Mejchars

Damals streifte Elfriede Mejchar, die diese Jahr ihren 100. Geburtstag feiern würde, mit ihrer Kamera am Rande Wiens herum, dort, wo „Stadt und Land zusammenstoßen“, wie sie es selbst gern ausdrückte. Die Nahtstelle zwischen Natur und Industrie, zwischen gewachsener und gebauter Welt, jener Ort, an dem Gräser und Gebäude ineinander wuchern, interessierte sie. Heute zählt die Serie zu den Ikonen der österreichischen Fotografie. Sie nimmt das Unbeachtete und Vernachlässigte in den Blick.
Als Mejchar 2020 starb hinterließ sie ein so facettenreiches wie monumentales Œuvre. Nun, anlässlich ihres Jubiläums, zeigen gleich drei österreichische Museen – die Landesgalerie Niederösterreich, das Museum der Moderne in Salzburg sowie das Wien Museum – ihr Werk.

Lange Zeit nahm die österreichische Kunst- und Fotoszene sie vor allem als Fotografin des Bundesdenkmalamtes war, als brave Ablichterin von Statuen und Treppenaufgängen, von Altären und Kruzifixen, von Kreuzgängen und Krypten. Mehr als drei Dekaden, bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1984, fotografierte sie Kirchen und Kunstwerke, ohne dass der Wert ihrer Arbeit besonders geschätzt worden wäre.

Elfriede Mejchar, Architekturdenkmäler, Stift Lilienfeld 1973 © Landessammlungen NÖ

Elfriede Mejchar, Architekturdenkmäler, Stift Lilienfeld 1973 © Landessammlungen NÖ


Poesie des Alltäglichen. Fotografien von Elfriede Mejchar

Museum der Moderne Salzburg

52 Jahre musste sie alt werden, bis ihre Werke in einem Museum, dem Museum des 20. Jahrhunderts in Wien, zu sehen waren. Wobei sie als Frau mit einer Soloshow dort eine Ausnahme war. „Ich finde Elfriede Mejchar spannend, weil sie in einer Zeit begann zu fotografieren, in der die Fotografie noch große Anstrengungen erforderte“, sagt Kuratorin Katharina Ehrl. 
Die Ausstellung legt einen Schwerpunkt auf die Porträts Mejchars, die sie von Künstlerinnen und Künstlern wie Josef Mikl, Christa Hauer und Arnulf Rainer zwischen 1954 und 1961 anfertigte, ebenso wie von „Künstlerphotographen und Kunstvermittlern“ (1988–1994).
 Ihre Absicht damals war, dem miefigen Nachkriegs-Klima zu demonstrieren, dass auch jene ernsthaft ihrer Tätigkeit nachgingen, die – für viele unverständlich – abstrakt malten oder deren künstlerische Absichten gesellschaftlich weitgehend unverstanden waren.

Ihre erste Begegnung mit der Kunst, so erzählte sie einmal in einem Gespräch mit ihrer Galeristin Roswitha Straihammer, hatte sie als Kind im Wiener Belvedere, wo ihre Tante einst arbeitete. In den 1940er-Jahren erlernte sie in Deutschland das Foto-Handwerk, kehrte dann wieder nach Wien zurück.

Elfriede Mejchar, aus der Serie „Künstler bei der Arbeit, 1954–1961“, Christa Hauer, Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Fotosammlung des Bundes am Museum der Moderne Salzburg

Elfriede Mejchar, aus der Serie „Künstler bei der Arbeit, 1954–1961“, Christa Hauer, Silbergelatineabzug auf Barytpapier, Fotosammlung des Bundes am Museum der Moderne Salzburg


Elfriede Mejchar. Grenzgängerin der Fotografie

Landesgalerie Niederösterreich

In Markersdorf nahe St. Pölten fotografierte Mejchar 1946 einen zerbombten Fliegerhorst. Auf den Bildern ragen die Überreste in die Höhe, ein kaputter Flieger liegt wie ein toter Vogel am Boden. Später kehrte sie immer wieder dorthin zurück, beobachtete, wie die Natur den Ort zurückeroberte. Diese Serie zeigt die Landesgalerie in der von Edgar Lissel und Alexandra Schantl kuratierten Ausstellung. Sie basiert auf den Beständen der Landessammlungen Niederösterreich, denen Mejchar ihr Lebenswerk vermacht hat – unglaubliche 25.000 Datensätze sind dort verzeichnet.

Mejchar fotografierte für die Technische Universität Wien technische Bauwerke und Industriedenkmäler. Auf ihren Reisen durch Österreich im Auftrag des Denkmalamts nahm Mejchar vieles mit: Hotelzimmer, Kleinarchitekturen, aber auch Vogelscheuchen und Strommasten – eben „Dinge, denen niemand Beachtung schenkt“, so Schantl. Heute kann man Mejchar, wie die Kuratorin ausführt, als Vorläuferin der aktuellen Lost-Places-Fotografie betrachten.

Elfriede Mejchar, Autokraxi, 1977 © Landessammlungen NÖ

Elfriede Mejchar, Autokraxi, 1977 © Landessammlungen NÖ


Im Alleingang. Die Fotografin Elfriede Mejchar

Musa - Wien Museum

Wie der Fotohistoriker Anton Holzer betont, arbeitete Elfriede Mejchar zumeist konzeptuell und seriell. Er kuratierte gemeinsam mit Frauke Kreutler die Schau „Im Alleingang. Die Fotografin Elfriede Mejchar“ im zum Wien Museum gehörenden musa. Es falle auf, dass die Bilder in Mejchars Serien „für sich genommen die Zuspitzung auf eine klare, pointierte Bildaussage verweigern“, so Holzer. Dazu komme die Nüchternheit, mit denen sie sich ihren Sujets genähert habe. Mit ihrem nüchtern-seriellen fotografischen Stil in der Stadt- und Landschaftsdarstellung habe sie in der österreichischen Fotografie der 1960er-Jahre Neuland erschlossen. Der Untertitel „Im Alleingang“ ist wörtlich zu verstehen: Nicht nur war Mejchar bei ihren Streifzügen zumeist allein unterwegs, sie fühlte sich auch keiner Gruppe zugehörig.

Die meisten dieser Arbeiten entstanden, als Mejchar bereits pensioniert war. Ebenso wie ihre Collagen, darunter die Serie „Die geliehene Identität“ (1988–1990), in denen sie Frauenbilder aus Modezeitschriften arrangierte, durchaus in einem hintergründig-feministischen Sinn. So erfand sie ihre Kunst im höheren Alter noch einmal neu. Wie viele ihrer Kollegen vollzog Mejchar den Spagat zwischen Auftragsfotografie und freien Arbeiten – die einander freilich die Hand reichen.

Elfriede Mejchar, Eine Kostümierung der geliehenen Identität, 1990–1991, Wien Museum © Bildrecht, Wien 2023

Elfriede Mejchar, Eine Kostümierung der geliehenen Identität, 1990–1991, Wien Museum © Bildrecht, Wien 2023


Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag lesen Sie in unserer Frühlingsausgabe

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Elfriede Mejchar. Grenzgängerin der Fotografie
13. April 2024 - 16. Februar 2025
Landesgalerie Niederösterreich

Im Alleingang. Die Fotografin Elfriede Mejchar 
18. April - 1. September 2024
MUSA - Wien Museum

Poesie des Alltäglichen. Fotografien von Elfriede Mejchar
26. April - 15. September 2024
Museum der Moderne Salzburg

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