Aktueller Bericht aus Mailand

Starke Performance der Miart

DenisaLehockáUntitled,2021metal tuning instrument, nylon stocking, cotton and cotton threads13 x 39 x 16 cmPh kunst-dokumentation.comCopyright Georg KarglFine Arts, ViennaArtsCourtesy the artist and Georg Kargl Fine Arts, Vienna

Die miart – fiera internazionale d’arte moderna e contemporanea – hat es geschafft eine internationale Messe mit hoher Qualität zu werden. Überraschenderweise liefen trotz der überall vorherrschenden wirtschaftlichen Anspannung am Kunstmarkt die Geschäfte in Mailand besser als erwartet.


Das Wetter in Mailand während der Messe für zeitgenössische Kunst, miart, war genauso strahlend wie die Gesichter vieler Aussteller. In einem wirtschaftlich schwierigen Kunstmarkt brummte das Geschäft schon bei der Preview. „Die Verkäufe am ersten Tag haben unsere Erwartungen übertroffen“, sagt Nicola Ricciardi, künstlerischer Leiter der Messe. „Der beste Indikator, wie das Geschäft auf der Messe läuft, sind die Anrufe, die ich am ersten Tag von den Galerien bekomme. Diesmal hat das Handy so gut wie nie geläutet“, scherzt er.

No time no space

Ricciardi hat die Messeleitung 2021 übernommen und die Arbeit seines Vorgängers, Alessandro Rabottini, fortgesetzt, aus der einst eher provinziellen Veranstaltung eine internationale Messe zu machen. Der Plan scheint aufzugehen: die Zahl der Galerien ist die letzten Jahre kontinuierlich gewachsen, ebenso der Anteil internationaler Galerien. So sind heuer auf der 28. Ausgabe der miart (12. – 14. April) 178 Galerien aus 28 Ländern vertreten. Der Titel der diesjährigen Messe, „no time no space“, reflektiere die Bemühungen, die Grenzen der Messe auszudehnen, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch durch die Ausweitung der Kooperationen mit den zahlreichen Institutionen der Stadt, so Ricciardi. Die Messe ist eingebettet in die Milan Art Week, die ein umfangreiches Programm an Ausstellungen, Initiativen, Performances in Museen, Kunstzentren, Privatstiftungen und Projekträumen bietet.

Die Verkäufe am ersten Tag haben unsere Erwartungen übertroffen.

Nicola Ricciardi
miart 2024. no time no space, Creative Direction: @cabinet_milano, Photography: @charlieengman, Cabinet Team: Fabio Maragno, Nicola Narbone, Rossana Passalacqua, Benedetta Stefani, Francesco Valtolina, Sound: Luca Venturini @waltermagi

miart 2024. no time no space, Creative Direction: @cabinet_milano, Photography: @charlieengman, Cabinet Team: Fabio Maragno, Nicola Narbone, Rossana Passalacqua, Benedetta Stefani, Francesco Valtolina, Sound: Luca Venturini @waltermagi

Teils museale Werke

Die Qualität der miart ist überraschend gut und wird dem Anspruch einer internationalen Messe gerecht. Die Bandbreite reicht von moderner und zeitgenössischer Kunst bis zu junger, aufstrebender Kunst. Dabei findet man in der Hauptsektion, die unter dem Titel „Established“ läuft teils museale Werke, wie etwa David Hockneys Paravent „Caribbean Tea Time“ aus dem Jahr 1987 bei der Galerie Lelong & Co. Die anderen Editionen dieser Arbeit befinden sich in Museen, wie der Tate Modern und dem Metropolitan Museum of Art. Der Paravent fand auch gleich zur Preview um 480.000 Euro einen Abnehmer. Oder bei der Galerie Tornabuoni Arte zwei Arbeiten von Alberto Burri „Combustione B.A. von 1960 und „Combustione plastica“ von 1975, die unter anderem 2016 in der Arte Povera-Ausstellung im Pariser Pompidou zu sehen waren. Die Galleria Continua wiederum hat eine große Legoarbeit von Ai Weiwei aus der „Know Thyself“-Serie am Stand für 320.000 Euro.

Neu im Rahmen der Hauptsektion ist das kuratierte Projekt „Timescape“, das über die nächsten drei Jahre läuft und Werke aus Epochen zusammenbringt, die weiter zurückliegen. Heuer startet das Projekt mit dem frühen 20. Jahrhundert, beispielsweise bei der Galerie Bottegantica, die den Stand wichtigen italienischen Künstlern des 20. Jahrhunderts von Giacomo Balla bis Umberto Boccioni widmet.

David Hockney, “CARIBBEAN TEA TIME” PARAVENT, 1987. color silkscreen, lithograph, paper, acrylic, polystyrene Courtesy GALERIE LELONG & Co., Paris -New York

David Hockney, “CARIBBEAN TEA TIME” PARAVENT, 1987. color silkscreen, lithograph, paper, acrylic, polystyrene Courtesy GALERIE LELONG & Co., Paris -New York

Neue Sektion „Portal“

Die zweit Neueinführung ist die von Abaseh Mirvali kuratierte Sektion „Portal“, die darauf abzielt, Universen und künstlerische Praktiken zusammenzubringen, die nur scheinbar weit voneinander entfernt sind. Mirvali, die selbst iranisch-amerikanische Wurzeln hat und in Mexiko lebt, hat sich um eine breite, internationale Perspektive bemüht, mit Künstlern aus Brasilien, Südafrika, Simbabwe, Ägypten, Kongo, dem Libanon und Mosambik. „Allerdings haben viele Galerien aus Übersee, die ich gerne gehabt hätte, abgesagt, weil ihnen wegen der Kosten das Risiko zu groß ist“, räumt sie ein. Im Mittelpunkt stehen politische und soziale Themen. Erfahrung von politischer Instabilität, Unterdrückung, erzwungener Migration, rassistischer und geschlechtsspezifischer Gewalt wird von den jungen Künstlern Troy Makaza und Gresham Tapiwa Nyaude thematisiert, die bei der First Floor Gallery ausgestellt sind. Makaza räpresentiert auf der diesjährigen Biennale von Venedig Simbabwe.

Skulptur aus Schokolade um 12.000 Euro

Auch Richard Saltoun hat für die kuratierte Sektion auf die Biennale geschielt und zeigt die österreichische Künstlerin Greta Schödl, einer der wichtigsten lebenden Künstlerinnen im Bereich der visuellen Poesie und Abstraktion, die an der Biennale teilnehmen wird. Die Geschichte des Kolonialismus und seine Folgen im sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Bereich stehen wiederum im Mittelpunkt von CATPC bei KOW, die überraschend eine Skulptur aus Schokolade am Stand haben um 12.000 Euro. Teil dieses Sektors ist auch die Wiener Galerie Hubert Winter mit Arbeiten von Birgit Jürgenssen und Franz Graf. Jürgenssen ist dank des italienischen Superstars Maurizio Cattelan, der ein Fan von Jürgenssen ist, in Italien bekannt. Er kuratierte im Rahmen von Curated by 2021 die Ausstellung „Einsam sind alle Brücken“ mit Jürgenssen und Cinzia Ruggeri. Im Dezember wird diese Ausstellung in erweiterter Form im ICA Milano gezeigt. Die Arbeit Unicorn, bei der Jürgenssen mit Fotografie und Textilien gearbeitet hat, kostet 64.000 Euro.

CATPC gezeigt bei KOW, Foto: Eva Komarek

CATPC gezeigt bei KOW, Foto: Eva Komarek

Apropos Biennale: Immer wieder trifft man auf Arbeiten von Künstlern, die an der diesjährigen Biennale teilnehmen, wie am Stand der 193 Gallery, die die Kenianerin Thandiwe Murius mit ihren farbintensiven Fotos präsentiert, die zwischen 8.000 und 15.000 Euro kosten, oder die Galerie Neu aus Berlin, die den ganzen Stand dem jungen Maler Louis Fratino widmet.  

Vier Galerien aus Österreich

Österreich ist mit vier Galerien auf der miart vertreten, neben Hubert Winter sind das Georg Kargl, Felix Gaudlitz und in der geförderten Sektion für junge Kunst „Emergent“ die junge City Galerie. Ines Lombardi von der Galerie Kargl hat auf drei Künstler unterschiedlicher Generationen gesetzt: Erwin Thorn, Denisa Lehocká und Mercedes Mangrané. „Sie alle haben ein Konzept und arbeiten dennoch mit Intuition“, sagt Lombardi. Thorn war in der ersten Zero-Ausstellung 1965 im Studio von Fontana in Mailand vertreten. Mangrané ist erst seit 2019 in der Galerie und die jüngste in dem Trio. Ihre Arbeiten kosten zwischen 3.600 und 4.200 Euro netto. Lehocká war zuletzt als Einzelposition auf der Spark in Wien zu sehen. Lombardi war schon zwei Mal auf der Miart, ist aber erstmals im Hauptsektor. „Heuer ist ein interessantes Jahr, weil aufgrund der Biennale mehr internationales Publikum aus Übersee hier ist, die dann weiterfahren nach Venedig“, sagt die Galeristin.

miart 2024, FELIX GAUDLITZ presenting Tony Cokes, Hervé Guibert, Vera Lutz, Halvor Rønning, Nicole-Antonia Spagnola, and Valentina Triet, Installation view, Foto: FELIX GAUDLITZ

miart 2024, FELIX GAUDLITZ presenting Tony Cokes, Hervé Guibert, Vera Lutz, Halvor Rønning, Nicole-Antonia Spagnola, and Valentina Triet, Installation view, Foto: FELIX GAUDLITZ

Felix Gaudlitz ist nach vier Ausgaben in der Emergent-Sektion heuer ebenfalls zum ersten Mal im Hauptsektor. „Jetzt können wir ein breiteres Programm zeigen“, sagt Gaudlitz, der von der diesjährigen Ausgabe angetan ist. „Die Qualität der Messe habe ich hier bisher noch nicht gesehen.“ Er hat auch schon verkauft. Den Stand hat er als kuratiertes Projekt mit dem Titel „Afterimage“ gestaltet mit Arbeiten von Tony Cokes, Hervé Guibert, Vera Lutz, Halvor Rønning, Nicole-Antonia Spagnola, and Valentina Triet.

Die Qualität der Messe habe ich hier bisher noch nicht gesehen.

Felix Gaudlitz

Die City Galerie schließlich ist im geförderten Sektor und hat den Stand drei Künstlerinnen gewidmet: Stefania Batoeva, Karolin Braegger und Julia Znoij. „Die zentrale thematische Prämisse ihrer Präsentation besteht in einer Hommage an die einflussreichen Frauen des amerikanischen abstrakten Expressionismus und die anhaltende Relevanz ihres feministischen künstlerischen Diskurses in der heutigen Zeit“, erklärt Galeristin Antonia Lia Orsi. Die drei Positionen vertreten Malerei, Skulptur und Installation. Arbeiten von Batoeva kosten 2.000 Euro für Zeichnungen und 16.400 Euro für die Gemälde, Skulpturen von Znoij kosten zwischen 3.500 und 6.500 Euro und die Installation von Braegger 6.800 Euro.

Das könnte Sie auch interessieren